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Lebensweg J. Wiesheu Mbg.

Geschichten > zeithistorisches

Mein Lebensweg

Ohne Gestern kein Heute und Morgen


Herkunft und Elternhaus
Als jüngstes Kind von fünf Geschwistern der angestammten Bauernfamilie Georg und Maria Wiesheu kam ich, Josef Wiesheu, am 28. Sept. 1929 in Schweinersdorf, Kreis Freising, auf die Welt.
Aufgewachsen bin ich auf einem mittelbäuerlichen Familienbetrieb und erlernte dort die landw. Arbeiten von Grund auf. Die elterliche Familie äußerte sich vor allem in einer echten und wahren Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Unter dem Kreuz versammelten wir uns zur Gemeinschaft des Gebetes und zur Gemeinschaft am Tisch. In unserer Bauernstube empfingen wir auch die ersten religiösen Eindrücke.
In einem gewissen Sinne hatten wir ein strenges Elternhaus. Mein Vater war ein gerechtes, aber sehr strenges Familienoberhaupt. Aber wir haben immer gespürt, dass er streng war aus Güte, deswegen konnten wir seine Strenge auch gut annehmen. Der Vater hat auch die schlimmen Vorzeichen des 3. Reiches mit Hitlers Machtübernahme klar erkannt, hatte ein erstaunlich treffendes Urteil dazu gehabt. Er sagte: „Die Ungerechtigkeit führt zur Unzufriedenheit und die Unzufriedenheit führt zum Krieg!"
Die Mutter hatte schon immer das, was an ihm zu streng war, durch ihre Wärme und Herzlichkeit ausgeglichen.
Die Hausmusik spielte eine große Rolle in unserer Familie und war eine zusammenführende Kraft. So durfte jedes Kind ein Instrument erlernen und spielen. Unter dem Krieg 1941/42 erlernte ich das Zitherspiel. Die Zither gehörte meinem ältesten Bruder Sebastian, der mit 20 Jahren in Stalingrad sein Leben lassen musste. Die amtliche Vermisstenmeldung war für meine Eltern und uns Geschwister eine sehr traurige Nachricht und jahrelang hatten wir im Gebet die Hoffnung der Heimkehr nicht aufgegeben.



Maria, Mutter Maria geb. Hagl, Sebastian, Vater Georg, Großvater Josef, Walburga
vorne: Georg jun., Josef jun. [JWM31]


Berufsfindung – Berufswahl – Ausbildung
Der Lehrerberuf war mir von Haus aus nicht in die Wiege gelegt. Ich erinnere mich noch gut, als ich in die 8. Klasse Volksschule (1944) zur Berufsberatung vorgeladen wurde. Auf die Frage nach meinem Berufsziel antwortete ich auf Anraten meines Vaters: „Diplom-Landwirt!" Wir wussten wohl beide nicht, dass dazu eine höhere Schulausbildung Voraussetzung ist. Mein Vater hatte schon 1922 die „Dr.-Heim-Schule" in Regensburg besucht und legte großen Wert bei allen Kindern auf eine fachlich fundierte, christlich orientierte landwirtschaftliche Berufsausbildung.
So besuchte ich – wie bereits vorher meine zwei älteren Brüder – 1948/49 und 1949/50 die beiden Wintersemester der klösterlichen Landwirtschaftsschule in Weltenburg. Anschließend war ich vom 13.11.1950 bis 17.3.1951 an der Bayer. Bauernschule in Ottobeuren.
In dem vom Kuratorium der Bayer. Bauernschule durchgeführten Lehrgang wurde neben zahlreichen Vorträgen und Diskussionen über allgemeine Themen auch als ein Hauptfach „Christliche Lebenskunde" gelehrt (Abt Vitalis Maier). Ich belegte auch die Wahlfächer Maschinenschreiben und Kurzschrift, die mir für meine spätere Laufbahn sehr zugute kamen.
„Für das Leben lernen" zeigte sich hier besonders. Die Bauernschule hat mich geprägt für mein demokratisches und christliches Weltbild. Ich war zwar vom Elternhaus her schon „angebrütet", aber es kam später bei mir in den vielen kirchlichen und politischen Ehrenämtern dann besonders zum Ausdruck:
25 Jahre Mitglied im Pfarrgemeinderat und Diözesanrat; ebenso lange Vorsitzender im Dekanatsrat und 20 Jahre Gründungs- und Vorstandsmitglied im Kreisbildungswerk Freising. Dem Kreistag und dem Schulausschuss des Landkreises Freising gehörte ich 24 Jahre an.
Für mich galt aber: Den wahren Demokraten erkennt man auch daran, dass er auch rechtzeitig aufhören kann!

Auf Grund meiner bisherigen Schulabschlüsse und der inzwischen abgelegten landw. Gehilfenprüfung, wurde mir auf dem sogen. 2. Bildungsweg der Besuch der Ackerbauschule in Landsberg/Lech eröffnet.
Vom Elternhaus her erhielt ich hierzu weder einen Zuspruch noch eine ablehnende Haltung. Ich hatte meine Entscheidung zunächst also alleine zu treffen.
Abt Vitalis Maier aus Ottobeuren, mein ehemaliger Lehrer, den ich zufällig in München beim Zentral-Landwirtschaftsfest in München traf, bestärkte mich für den Besuch der Ackerbauschule in Landsberg/Lech. So wurde für mich dieser Lehrgang in Ottobeuren auch wegweisend für den 2. Bildungsweg und letztlich für meinen beruflichen Lebensweg überhaupt (Dipl. Agrar - Ing., FH = 1. Beruf)

Als „staatlich geprüfter Landwirt" absolvierte ich am 25. Juli 1953 die Ackerbauschule in Landsberg/Lech. Mit diesem qualifizierten Berufsabschluss ergab sich für mich die Möglichkeit zum Studium am Staatsinstitut München, Fachrichtung Höheres Lehramt an beruflichen Schulen, das ich 1955 abschloss.


Ich wurde also landwirtschaftlicher Berufsschullehrer.
Meine erste Dienststelle mit Beschäftigungsauftrag erhielt ich im Landkreis Miesbach/Rottal (24 Wo.Std. – 240 DM mtl.) Ich freute mich über mein erstes selbstverdientes Geld. Als sogen. Wanderlehrer fuhr ich täglich bei Wind und Wetter zu den einzelnen Schulorten mit dem Fahrrad, dann mit dem Motorrad. Ich hatte zuweilen schon meine 8 - 10 km hinter mir, ehe ich in den Klassenraum der Volksschule trat, in deren Bänke sich die Bauernburschen hineinzwängen mussten. An meinem Dienstsitz Haarbach wurde der Tanzboden vom Huberwirt in ein Klassenzimmer umfunktioniert. Aus meinem Rucksack ragten einige Papierrollen; Heftstöße beulten ihn weit aus. Er war mit Anschauungsmaterial beladen und mit Heften, die ich wegen Zeit- und Raummangel meist nicht am Schulort korrigieren konnte.

In Haarbach lernte ich meine zukünftige Frau Marianne kennen und lieben, die Lehrerin an der dortigen Volksschule war.
Im Winter war der Schulweg mit dem Motorrad nicht mehr zumutbar; dazu bekam ich als Dienstsitz Griesbach, und die Wegstrecke zu den Schulorten wurde noch größer. Zu Weihnachten kaufte mir mein Vater einen VW-Käfer-Export. Mein neues Auto war im Stadtgebiet in einem leeren abschließbaren Stadel untergebracht. Eine ordentliche Autogarage konnte ich nicht auftreiben. Am Abend des 21. Juni 1956 gegen 21.30 Uhr fertigte ich eine Unterrichtstafel über „Aufgaben des Landkreises": Krankenhaus – Straßenbau – Zuschüsse für Feuerwehren. Ich zeichnete
gerade einen Hydranten mit Feuerwehrschlauch, als plötzlich die Sirene heulte. Ich schaute aus dem Fenster und sah einen hellen Feuerschein in Richtung Stadel. Sofort eilte ich zur Brandstätte. Der Stadel mit meinem neuen Auto brannte lichterloh.

Gegen 23.00 Uhr zeigte ich meinen Schaden bei der Polizeidienststelle an. Zunächst war meine Sorge, wie komme ich morgen zur Schule! Zu Mitternacht suchte ich noch meinen Kollegen auf und bat ihn um ein Fahrrad für den Schulbesuch in Rainding (12 km). Trotz allem begann ich pünktlich um 8.00 Uhr den Unterricht.
Wie ein Lauffeuer ging der Brandfall durchs Dorf Haarbach. „Jetzt wird sich d´Schuifrein einen anderen suchen, weil der Lehrer kein Auto mehr hat!" So lautete der Kommentar einiger Leute.
Das tat sie nicht und wir sind nun schon seit 55 Jahren glücklich verheiratet.
Es gab ein gerichtliches Nachspiel wegen Übertretung der Garagenordnung. Der Richter betrachtete es als eine Übertretung und keine grobe Fahrlässigkeit; deshalb musste meine Teilkasko-Versicherung zahlen. Ich erhielt von der Versicherung wegen des Neuwertes (6 Mon. - 5.000 km-Stand) 4.100,- DM; dazu 60,- DM vom Schrotthändler.

Ab 1. Sept. 1957 wurde ich in den oberbayerischen Schuldienst übernommen und wirkte an mehreren landw. Berufsschulen im Landkreis Freising. Von 1960 – 1970 leitete ich die Landw. Verbandsberufsschule in Moosburg und engagierte mich für einen Schulhausneubau.
Mit der Fertigstellung der neuen Schule 1965 initiierte ich die Gründung der Berufsfachschule für Hauswirtschaft. Mit der Gebietsreform 1972 wurde meine Moosburger Schule in die inzwischen vom Landkreis neu erbaute Kreisberufsschule in Freising integriert.

Von da ab unterrichtete ich in Freising, bildete zugleich als Seminarlehrer die Studienreferendare für das höhere Lehramt an beruflichen Schulen, Fachrichtung Landwirtschaft, aus.
Selber mischte ich mich auch noch einmal unter die Reihen der Studenten, in dem ich 1974 die Zusatzprüfung für das Höhere Lehramt in Biologie ablegte. Von 1976 bis 1979 war ich „Ständiger Vertreter" des Schulleiters in Freising und mit 3. Sept. 1979 wurde ich zum Leiter der „Staatl. Landw. – und Hauswirtschaftlichen Berufsschule mit Berufsfachschule für Hauswirtschaft und Kinderpflege und Berufsaufbauschule" ernannt.
1982 wurde ich zum Prüfer bei der 1. Staatsprüfung für das Lehramt an öffentlichen Schulen im Fach Biologie bestellt. Ab 1988 war ich auch Mitglied des Prüfungsausschusses für die pädagogische Prüfung der Laufbahn des höheren landw. Beratungs- und Fachschuldienstes in Bayern.
Eine Kraftquelle für meinen Beruf und meine vielen Ehrenämter war stets meine Frau und meine Familie mit vier Kindern. Wir bewohnen seit 1959 in Moosburg ein Eigenheim.

Im Ruhestand – was nun?
Am 1.2.1992 trat ich in den Ruhestand. Ich habe in meinen 37 Dienstjahren gelernt, dass gerade das Unwichtigwerden des eigenen Ich, das eigentliche Befreiende ist. So konnte ich sofort loslassen von der Schule. Mit meiner Frau besuchte ich, unmittelbar nach meiner Verabschiedung aus dem Schuldienst, ein Seniorenseminar. Diese Angebote nehmen wir gelegentlich immer wieder wahr. Meine erste Entdeckung beim Älterwerden war die Freiheit. Ich werde nicht mehr so viel verplant und kann selber planen. Nachdem ich einige Ehrenämter abgelegt hatte, entdeckte ich das befreiende Loslassen von Aufgaben, Prestige und Image.

Schwerer finde ich es die Kinder rechtzeitig loszulassen!
Nachdem auch in unserer 3. Lebensphase das geistige Vermögen kaum nachlässt und ich gesundheitlich und körperlich sehr zufrieden bin, habe ich mich nicht ganz aus dem eigentlichen Leben zurückgezogen, sondern folge jetzt mehr dem Ruf nach den „jüngeren aktiven Alten". Ich ließ mich in die Vorstandschaft des Kath. Altenwerks der Erzdiözese München-Freising wählen und gehöre nach wie vor der Dekanatsvorstandschaft an (Stand 1992). Seit meiner Pension pflege ich das häusliche Zitherspiel, das ich 50 Jahre fast ganz aufgegeben hatte. Ich nutze auch mehr die Zugehörigkeit zum Alpenverein und beteilige mich bei Bergwanderungen und Treffen im Bergzirkel.
Ich lerne auch die Dankbarkeit für mein und unser ganzes Leben im Vertrauen und Glauben darauf, dass Gott mich – uns – will, trägt und hält und auffängt.

So besuchte ich 13 Jahre lange im Auftrag des Pfarrers die Moosburger Patienten in den Landshuter Krankenhäusern. Von 1992 bis 2005 verzeichnete ich in meinem Büchlein 4700 Krankenbesuche. Einmal fragte mich eine Patientin: „Herr Wiesheu, warum machen Sie das? Sind Sie nicht ausgelastet?" Ich antwortete ihr: "Wenn Sie mich so fragen, dann sag ich Ihnen auch warum: Ich war 37 Jahre im Schuldienst. Jeden Tag war ich dienstbereit. Das ist kein Verdienst, sondern eine Gnade! Wenn ich diese Gabe der Gesundheit habe, dann wird diese Gabe auch zur AufGabe. So sehe ich das!"

Ich finde es auch gut, wenn man sich rechtzeitig gute Freunde schafft für die Pension u. a. zum Kartenspielen, Spazierengehen, Radeln und Pensionistentreff. Diesen Weg zu guten Freunden muss man aber rechtzeitig ausbauen, austreten und er darf nicht „vergrasen". Dies geschieht z.B. durch einen Telefonanruf, einen Besuch und durch gemeinsames Feiern, sowie Verreisen.
Zusammen mit meiner Frau versuchen wir in unserem Alter zunächst im engsten und nächsten Umkreis, unsere Kräfte, Möglichkeiten und Erfahrungen einzubringen und aktiv im Leben teilzunehmen, zu unserer eigenen Freude und wie wir hoffen, auch zur Freude und Zufriedenheit unserer Mitmenschen.

Der französische Schriftsteller Antonie des Saint-Exupéry hat einmal gesagt:

„Es ist gut, wenn uns die verrinnende Zeit nicht als etwas erscheint, das uns verbraucht, sondern als etwas, das uns vollendet!


Aufgeschrieben von Josef Wiesheu (*1929), Moosburg

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