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Die Brotkrume
Am Montag ist bei uns in Inzkofen noch vor dem Bierfahrer der Brotwagen gekommen. Heute würde man sagen das „Bäckermobil". Weil man auf dem Land nicht so mobil war, wurden die Menschen in den kleineren Dörfern ohne Krämerladen, soweit ich weiß, zwischen den 1960er und 1980er Jahren durch diesen mobilen Service von den Bäckereien aus der Stadt versorgt.
„Da Beck is do" rief es von draußen rein, wenn der Fritz mit seinem Kastenwagen vorgefahren war. Wir kauften da meistens so ca. 5 bis 6 Wecken Brot (weißes Mischbrot) und noch einen gewürzten Laib, den der Opa so gerne mochte. Bis in die 70er Jahr hatte der „Bäcker" ein schwarzes Buch dabei, indem er festhielt, was wir abnahmen.
Warum er das aufschrieb?
Das Brot wurde mit dem Mehl verrechnet, welches die Bäckerei bereits zuvor von uns geliefert bekam. So war das gelieferte Brot günstiger als in der Bäckerei.
Das bereits in der Geschichte „Feiertage" erwähnte Getreide, welches für die Weiterverarbeitung zu Brot vorgesehen war, brachten wir meistens im Winter oder Frühjahr zur Mühle nach Moosburg. Der Müller schrieb das Mehl, das von unserem Getreide gemahlen wurde, gleich auf unser Konto beim Bäcker gut. So schloss sich der Ressourcenkreis.
Beim Bierfahrer lief das nicht ganz so perfekt, obwohl wir auch von der Braugerste, die wir an die Brauerei lieferten, nicht nur das Bier von der Brauerei bezogen, sondern auch die Abfälle, die beim Bier brauen entstehen, verwerteten. Alle 14 Tage tuckerten wir mit unserem Geräteträger nach Moosburg und holten eine Fuhre Trebern ab.Unsere Kühe und Schweine waren ganz verrückt danach.
Zurück zum Brot.
Das alte Brot, das übrig blieb und nicht mehr gegessen wurde, wurde natürlich auch weiter verwendet. Eingeweicht in die übrig gebliebene Magermilch bekamen es die Hühner, oder mit dem restlichen Bratensaft freute sich auch der Hund darauf.
Die oben erwähnten, vom Brotfahrer gekauften Brote lagerten bis zum Verbrauch bei uns in einer der oberen Ebenen in der Speisekammer. Wenn das Brot nicht reichte, oder der Brotfahrer nicht kam, fuhren wir zum Bäcker nach Mauern, um uns zu versorgen. Das Brot und vor allem die Semmeln von dort schmeckten uns eh besser. Wenn nötig, half man sich in unserer Nachbarschaft gegenseitig mit einem Laib Brot aus, wenn mal ein Engpass war oder auch beim Einkauf. Weil unsere Nachbarin keinen Führerschein hatte, brachte unsere Mutter einmal für sie einen Wecken aus Mauern mit. Zur Zwischenlagerung kam dieser in die Speisekammer neben unser Brot.
Geprägt durch die erwähnte Wiederverwertung des alten Brotes machte ich mit ca. sechs Jahren einen folgenschweren Fehler. Als kleines Mädchen aß ich lieber das Innere (die Moin) vom Brot und die Rinde blieb meistens liegen. Meine Mutter hatte dieses Verhalten nur akzeptiert, da die Tiere auch mit den Resten des Brotes zufrieden waren. Eines Nachmittags war mir wohl nach einer Portion „Moin" zumute. In der Speisekammer lag ja noch ein Laib, von dem ich annahm, dass der alt sei und eh für die Hühner wäre, aber eigentlich für die Nachbarin reserviert war. Also holte ich mir dieses „alte" Brot. Ein Messer war in der Küche auch nicht weit und so schnitt ich es in der Mitte durch. Und dann aß ich die ganze „Moin" vom Brotlaib, unversehrt zurück blieb nur das äußere Rindl. Aber jetzt drückte mich nicht nur der Bauch, sondern auch das schlechte Gewissen, denn für ein altbackenes Brot schmeckte es einfach zu gut. So setzte ich den ausgefressenen Brotlaib wieder zusammen und legte ihn zurück ins Regal.
Diese Tat blieb nicht lange unentdeckt. Meine Mutter traute ihren Augen kaum, als sie das Brot der Nachbarin übergeben wollte. Auf ihre Frage, wie man nur so dumm sein kann, ein frisches Brot nicht von einem alten unterscheiden zu können, wusste ich leider keine Antwort. Das Geschimpfe meiner Mutter blieb mir unvergesslich.
Aufgeschrieben am 22. Dez. 2012 von Johann Wiesheu (*1965), München und Irmgard Kratzer, geb. Wiesheu (*1968), Moosburg
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