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Kartoffel

Geschichten > volkskundliches > Ernte

Kartoffel


Sobald das Wetter im Frühling wärmer wurde und es an die Bestellung der Felder ging, wurden auch wieder Kartoffeln gesetzt.
Nachdem das Feld für die Aussaat vorbereitet war, wurde die Kartoffellegemaschine aktiviert. Sie wurde an die Hydraulik des Traktors hinten angebaut.

Die Kartoffellegemaschine bestand aus einem Rahmen mit 2 Kisten für die Saatkartoffeln, vorne oben, und dahinter 2 Sitzplätze, auf denen meistens 2 Kinder zur Bedienung der Apparatur saßen. Sie mussten die Saatkartoffeln aus den unten offenen Kisten nehmen und bei jedem Glockenschlag in ein Rohr werfen, welches unten am Boden vor dem Bifangpflug endete und dort die Kartoffel vor dem dahinter aufgepflügten Bifang ablegte.
Mit dem hinteren Stützrad wurde je nach Fahrgeschwindigkeit ca. alle 1,5 Sekunden eine Glocke angeschlagen. Mit jedem Glocken-schlag sollte eine Saatkartoffel eingeworfen werden. Natürlich kam es öfter vor, dass die Glocke einfach überhört wurde und dort eben keine Kartoffelpflanze wuchs.


Kartoffel legen; [HLBV1]


Tellerlegemaschine; [MHIN1]

Weil die Glocke zu oft überhört wurde, wurde irgendwann eine andere Maschine mit einem besseren Me-chanismus installiert. Dabei mussten die Kartoffeln in ein seg-mentiertes Tellerrad eingelegt werden. Sobald sich dieses Rad an die richtige Stelle über dem Rohr drehte, fiel die Kartoffel wie gehabt in das Rohr nach unten.

Damit die austreibenden Kartoffeln schneller an die Sonne gelangten, wurde der Bifang erst mal nieder geeggt. Sobald sie dann etwas gewachsen waren, wurde er wieder aufgeackert. Wenn das Wetter mitgespielt hat, sind sie gut gewachsen, leider auch das Unkraut zwischen den Kartoffelpflanzen, das wir immer wieder von Hand bzw. mit der Hacke entfernen durften („häln"). Dabei ist auch der Boden aufgelockert worden, so dass er nicht so schnell austrocknete. Genau so, wie bei den Rüben auch, hackten wir tagelang durch die Reihen. Zwischen den Bifängen und an deren Schulter ging das auch maschinell mit dem Erdäpfelgrassler. In manchen Jahren wurden die Kartoffelpflanzen von einer Kartoffel-Käferplage heim gesucht. Da wurden wir Kinder dann mit einem Küberl raus geschickt, um die Käfer alle aufzusammeln und sie anschließend zu vernichten. Derart gepflegt gab es im Herbst wieder jede Menge Arbeit, die Ernte heim zu bringen.

Ich erinnere mich noch gut, immer am Nachmittag nach der Schule zum Erdäpfelklauben auf den Acker zu müssen. Mit dem Erdäpfelroder wurde ein Bifang ausgeackert und die Erde samt der Knollen über mehrere Meter flach verteilt. Anschließend kam unser Einsatz, alle Kartoffeln zu finden und in Körbe zu klauben, von denen sie auf den bereitgestellten Wagen geleert wurden. Beim Erdäpfelroder hat man immer aufpassen müssen, dass er nicht zu seicht eingestellt war und die Hälfte der Erdäpfel im Boden blieben bzw. auseinander geschnitten wurden. So verbrachten wir Tage, die im Frühjahr im Boden versteckten Erdäpfel wieder zu finden.


Kartoffelroder wie in Inzkofen benutzt; [BYW31]

Abends wurde die Tagesernte eingelagert. Dies erfolgte an einem kühlen, trockenen Ort. Bei uns wurden die Kartoffeln früher an verschiedenen Orten eingelagert. So wurden sie z. B. direkt vom Wagen mit einer Rutsche durch das schmale Fenster hinunter in den Keller unseres Hauses gerollt. Eigentlich war der Keller nicht so gut geeignet, weil er recht feucht war (das Wasser lief hinten rein und vorne wieder raus). Darum haben die Kartoffeln immer recht schnell ausgetrieben. Ein besserer Ort war der von uns „Bafa" genannte Wirtschaftsraum neben dem alten Stall, in dem noch ein riesiger, alter, gusseiserner Brotofen und auch der Ofen der Hopfen-darre sowie die Infrastruktur für die Zubereitung des Schweinefutters stand. „Bafa", vermutlich vom kindlich vereinfachten „Backofen", was wir noch nicht aussprechen konnten und dann für immer so blieb. Dort wurden auf rund 11 m² die Kartoffeln ca. 1,5 m hoch aufgeschüttet. Natürlich von Hand, vom Wagen mit der Kartoffelgabel durch das Fenster geworfen.

Ein weiteres Lager für die Überwinterung der Kartoffeln war die Erdmiete am Feld. Dafür wurde der Boden je nach Bedarf auf einer Fläche von ca. 2 m x 3 m, ungefähr 30 cm tief ausgehoben. Die Kartoffeln wurden in dieser Erdsenke zu einer, einen guten Meter hohen, länglichen Pyramide aufgehäuft. Bedeckt wurde sie dann mit einer ca. 30 cm dicken Strohschicht und einer weiteren Schicht von ca. 30 cm mit der zuvor ausgehobenen Erde (ggf. in 2 Schichten), und so winterfest gemacht .

Genau so wurde es mit den Rüben gemacht. Weil das viel mehr waren, ist die Miete dann natürlich etwas höher und viel länger geworden. Da kamen schon mal 20 oder 30 Meter zusammen. Neben den Rüben und Kartoffeln war das auch ein hervorragendes Winterquartier für die Feldmäuse, von denen wir jede Menge gefunden haben, wenn wir im Winter regelmäßig Kartoffeln oder Rüben herein geholt haben. Da fanden wir auch einige Nester mit ganz jungen Mäusen drin.

Weitere Details aus der historischen Fachliteratur:


Kartoffelmiete in der historischen Fachliteratur „Der Jungbauer"; [LWBLV]


Für die Unmengen an Kartoffeln gab es noch eine weitere Lageroption. Bis Anfang der 1970er Jahre kam ein riesiger, mobiler Kartoffeldämpfer auf den Hof:


Kartoffeldämpfer genau wie Ende 60er, Anfang 70er Jahre auf
dem Wimmerhof; wurde vom Maschinenring gegen Gebühr
überlassen; [PJ001]

In der Maschine wurden die Kartoffeln elektrisch gekocht (gedämpft) und dann direkt per Förderband ins Tiefsilo transportiert. Ich erinnere mich noch, wie ich eine heisse Kartoffel direkt vom Förderband in die Hand bekommen, geschält und verspeist habe.
So gekocht konnten sie im Silo lange aufbewahrt werden. Natürlich wurden sie schließlich wieder von Hand mit der Gabel für den täglichen Bedarf aus dem Silo gestochen und nach oben geworfen – eine ziemliche Plagerei. Dieses Kartoffelgratin war eine wunderbare Basis für das köstliche Menü, das die Schweine immer bekamen.
Dieses Menü für die Schweine wurde, wie bereits erwähnt, bei uns im sog. Bafa zubereitet. Dort standen dafür diverse Gerätschaften bereit. Eine Schnitzelmaschine für Rüben, ein elektrischer Kartoffeldämpfer für kleinere Mengen (ca. 200 Liter), ein Vorrat von Weizen- und Gerstenschrot und natürlich der elektrische Mixer für das Schweinemenü.

Im Mixer (eine drehende Tonne mit diversen Messerklingen innen, auf einer zur Tonne gegenläufig rotierenden Achse) wurde das Menü zusammen gemischt: je nach Jahreszeit die gekochten Kartoffeln, Rüben, gehäckselter Klee, ggf. etwas Mais, Küchenabfälle, die Äpfel, Birnen und Zwetschgen, die wir todesmutig den Wespen entrissen, die mühselig gesammelten, wilden Birnen von zwei Bäumen am Kirchacker, die nicht größer waren als ein Fingernagel und noch ein paar Schaufeln Bruch (Getreideschrot); lauter gesunde „biologische" (damals noch unbekannt, der Ausdruck) Zutaten aus eigenem Anbau. Geleert wurde die Tonne nach unten über einen Schiebedeckel in einen Trog. Von dort aus wurde das Schweinegericht in Kübel gefüllt, hier noch mal individuell gewürzt und zum Schweinestall gebracht.
Auch dabei durften wir unserem Opa immer helfen. Er war ja nicht mehr der Jüngste und das ganze Futter auf einem Wagerl (dem Milchkarren) den Hof hoch zum Schweinestall zu ziehen, war nicht einfach. Mit 92 Jahren war er immer noch aktiv dabei, wenn auch zum Teil nur noch „überwachend".

Ach ja, im Winter wurde dort im „Bafa" mit einem Kanonenofen mit Porzellangriff am Türl eingeschürt, damit es nicht so kalt ist und nichts einfriert. Eine alte Badewanne stand auch noch dort rum. In der durfte der Karpfen zu Ostern seine letzten Stunden verbringen.

Am liebsten waren mir die Kartoffeln als sog. Schtampf. Wenn wir im Winter nach getaner Waldarbeit heim kamen, kamen die Kartoffeln schon fertig aus dem Rohr. Mit einem Löffel aus der Schale gehoben, in einem tiefen Teller mit Butter und Salz zusammengestampft – mmh!

Irgendwann wurden bei uns am Hof auch die Pommes erfunden. Pfundweise haben wir die Kartoffeln geschält und in Stäbchen geschnitten. Eine Fritteuse hatten wir damals noch nicht. Aber man wusste sich zu helfen. Wir nahmen den großen Nudelkessel (in dem sonst auch die Dampf- und Schmalznudeln gebacken wurden), erhitzten dort das Fett und frittierten so die Pommes. Das war ein Sonntagsspektakel.
Vermutlich war unser Vater kein dummer Bauer, weil die Erdäpfel, die wir immer hatten, waren meist relativ klein. Für Pommes denkbar ungeeignet. Auch dafür fand er eine Lösung. Zukünftig wurden auch rote Kartoffeln, extra für die Pommes angebaut. Die sind größer bzw. länglicher und eignen sich deshalb viel besser für „Schtaberl". Mit denen machte sogar das Erdäpfelklauben mehr Freude…


Aufgeschrieben am 12. Okt. 2012 von Johann Wiesheu (*1965), München

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