Kindheitserinnerungen von Maria Waibl - Geschichten_de

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Kindheitserinnerungen von Maria Waibl

Geschichten > zeithistorisches

Maria Waibl: Erinnerungen an meine Kindheit

Mein Name ist Maria Waibl, geb. Aiglstorfer – Tochter von Maria Aiglstorfer (1909 – 1976 – geb. Schwaiger), geb. am Wimmerhof in Inzkofen, und Ulrich Aiglstorfer. Wir wohnten in Langengeisling (Kreis Erding). Ich bin dort geboren. Meine Mutter hat die Freiheit, die Weite ihrer Heimat zeitlebens sehr geschätzt. Sie war glücklich, wenn sie die Möglichkeit zu einem Besuch in Inzkofen hatte. Unser Zuhause war circa 100 Meter vom Flugplatz Erding entfernt. Das war besonders im 2. Weltkrieg sehr nervenaufreibend; da war die Sehnsucht meiner Mutter – nach ihrer Heimat – sehr groß. Nach Kriegsende – ich war 5 Jahre – packte mich meine Mutter ins Körbchen auf ihr Fahrrad und wir fuhren nach Inzkofen (25 km). Später musste ich dann selber radeln. Für mich war es sehr aufregend, dass es dort Schafböcke gab. Ich wurde gewarnt, vor diesen „wilden" Tieren; trotzdem habe ich es einmal gewagt rauszugehen und schon lag ich am Boden, aufgespießt von den Hörnern und schrie wie am Spieß.

Besonders war es für mich, dass ich mit meiner Cousine Else (sie war vom Alter her mir am nächsten) spielen konnte, da ich selber keine Geschwister hatte. Ganz besonders lebendig ist mir die „Goldene Hochzeit" von Tante Ursula und Onkel Josef aus Inzkofen in Erinnerung. Wir gingen mit der Blasmusik von der Kirche in Schweinersdorf zur Wirtschaft. Es war für mich ein einzigartiges Erlebnis.

Als Kind hatte ich natürlich besonderen Spaß, in die Ställe mit den vielen Tieren zu gehen. Kälber und Schweine hatten es mir besonders angetan. Dass zu einem Hof auch eine eigene Kapelle gehört, war für mich sehr erstaunlich.

Meine Mutter und ich halfen auch beim Beeren pflücken. Ich durfte essen, soviel ich wollte, mmh – köstlich frisch. Auf der Rückfahrt zeigte mir meine Mutter ihren Schulweg: Inzkofen – Schweinersdorf. Das Stück durch den Wald war besonders lebendig in ihren Gedanken. Ängste und Räuber kamen in Erinnerung. Als wir über die Brücke in Moosburg fuhren, hörte ich von Überfällen, Schlägereien und auch von Räubern. Froh war ich, als wir weit genug entfernt waren. Ich war gerne in Inzkofen, leider sehr selten. Nach dem Krieg musste ich auf eine Schulspeisung verzichten, da in der Verwandtschaft ein Bauernhof war.


Nachtrag zum Krieg:
In Langengeisling flogen während des Krieges viele Tiefflieger von den Alliierten über unseren Ort. Das war die Ursache für viele Tränen: Denn dadurch wurde den frisch ausgeschlüpften Küken die Schlagader abgedrückt; sie waren tot. Als die Amerikaner einmarschierten, mussten wir deren Fahne hissen, wer sich weigerte, musste sterben. Der Einmarsch war so überraschend, dass wir nicht in unseren Bunker (am Ende unseres Gartens) kamen, sondern nur in unseren Keller, zum Glück! Dort waren wir drei Tage. Meine Mutter erzählte, dass ich die drei Tage durchgeschlafen habe. Alle Leute im Bunker waren tot, sie wurden durch Splitter getötet. Bei uns wurde immer wieder der Rosenkranz gebetet. Vor und hinter unserem Haus war eine Bombe gefallen; unser gesamter Hausrat war kaputt. Die Schränke waren umgefallen durch den Luftdruck; das Geschirr lag in Scherben am Boden.

Dann stellten die Soldaten in unserem Garten die Flagge auf. Einer unserer Mieter konnte Englisch und so erfuhren wir, dass in dieser Nacht auf Freising geschossen werden sollte. Gott sei Dank ergab sich die Stadt Freising vorher.

Die Truppen zogen ab und wir holten aus unserem Garten die vergrabenen Kisten mit Stoffen, Geschirr, usw..
Hätte sich Freising nicht ergeben, wäre zurückgeschossen worden; das hätte unseren Tod bedingt.

Nach dem Krieg kam mein Vater aus Holland zurück. Ich kannte ihn bis dahin nicht. Meine Mutter und ich holten ihn vom Bahnhof in Erding mit dem Fahrrad ab. Er kam mit einem schweren Holzkoffer an; dieser ist bis dato in meinem Besitz.

Jetzt brauchten wir keine Angst mehr zu haben. Mit sechs Jahren kam ich in die Schule – 1. Tag: Es gab kein Heizmaterial und so schickte man uns Kinder auf unbestimmte Zeit heim. Zu Weihnachten gab es Schulsachen. Wir hatten Griffel in Holzetuis, dazu eine Tafel. Die Bücher wurden von Jahr zu Jahr weiter gegeben.

Fahrradfahren lernte ich mit dem Rad meiner Mutter, Kinderfahrräder gab es damals nicht. Wir Kinder waren glücklich über jede Kleinigkeit. Wir spielten viel und gerne mit Sachen aus der Natur: Zapfen und Zweige, Palmkätzchen usw. Vielleicht waren wir sogar glücklicher als heute die Kinder mit den vielen, raffinierten Spielsachen.


Aufgeschrieben im März 2014 von Maria Waibl, geb. Aiglstorfer

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